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Der Sonderpädagogische Dienst bietet Unterstützung bei der Förderung von Kindern an allgemeinen Schulen (Grund- und Hauptschulen), die Lern- bzw. Entwicklungsprobleme zeigen.  
Arbeitsweise:

  • Freiwillige Beratung von LehrerInnen, Schulen, Eltern, SchülerInnen
  • Koordination der Fördermöglichkeiten
  • Grundsätzlich ergebnis-offene, konsens-orientierte Prozess-Begleitung, die alle Beteiligten einbezieht.  

Der Erfolg von Förderung hängt entscheidend davon ab, dass der Bedarf rechtzeitig erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Dafür ist eine Zusammenarbeit von Schule und Eltern erforderlich. Wenn deutliche Anhaltspunkte eines Förderbedarfs vorliegen, der die Möglichkeiten der allgemeinen Schule übersteigt, kann sie Unterstützung beim sonderpädagogischen Dienst suchen. Bei Bedarf werden auch Experten aus dem schulischen und dem außerschulischen Bereich einbezogen. Die Koordination erfolgt durch die allgemeine Schule.  

Verlauf eines Beratungsprozesses:  

  1. Die Grund- / Hauptschule berät mit den Eltern über mögliche Fördermaßnahmen. Wenn die Maßnahmen nach der vereinbarten Zeit dem Kind nicht ausreichend helfen, vereinbaren die Schule und die Eltern, den sonderpädagogischen Dienst zu rufen.  
  2. Ein(e) Kooperationslehrer(in) - spricht mit Lehrern, Eltern und dem Kind - besucht und beobachtet das Kind im Unterricht - führt eine individuelle Förder-Diagnostik im Einzelkontakt mit dem Kind durch. Dabei werden pädagogische und psychologische Beobachtungs- und Testverfahren verwendet. (Bei Bedarf werden nach Absprache mit den Eltern auch außerschulische Experten hinzugezogen.)  
  3. Die Ergebnisse und Einschätzungen werden mit den Eltern und der Schule ausführlich besprochen. Aus diesem umfassenden Bild der gesamten Lernsituation des Kindes wird gemeinsam der aktuelle Förderbedarf definiert.  
  4. Gemeinsam wird die weitere Förderung des Kindes geplant und beschlossen:
  • Welche Hilfen sind notwendig?
  • Wo werden diese Hilfen angeboten?
  • Wie werden die Hilfen organisiert?

Pflicht zum Besuch der Sonderschule ist aufgehoben

  • Seit 15. Juli 2015 ist die Pflicht zum Besuch der Sonderschule aufgehoben.
  • Eltern von Kindern mit einem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot können  wählen, ob ihr Kind an einer allgemeinen Schule oder einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) lernen soll.
  • Aktuell besuchen zehn Kinder mit einem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot die Hohensteinschule mit ihren insgesamt 140 Schülern.

Wahlrecht der Eltern stärken

  • Die Eltern eines Kindes mit festgestelltem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot können sich zwischen einer Beschulung im Bildungs -und Beratungszentrum oder einer allgemeinen Schule entscheiden.
  • Ein absolutes Elternwahlrecht gibt es jedoch nicht. Bei Unstimmigkeiten soll in einer Bildungskonferenz mit Eltern, Schulleitung, Jugendamt und Schulamt die bestmögliche Unterstützung für den Schüler mit erhöhtem Förderbedarf gefunden werden.

Gruppenbezogene Bildungsangebote

  • Inklusive Bildungsangebote werden im zieldifferenten Unterricht möglichst gruppenbezogen angelegt.

  • Aktuell besuchen zehn Kinder mit Förderbedarf die Hohensteinschule mit ihren insgesamt 140 Schülern. Dabei befinden sich acht Kinder in  gruppenbezogenen Angeboten.

  • Die Inklusionsklassen werden, wenn möglich kleiner gehalten.

  • Im begründeten Einzelfall ist auch die Möglichkeit gegeben, eine zieldifferente Einzelfalllösung einzurichten.

Aufnahme des zieldifferenten Unterrichts ins Schulgesetz

  • Gemeinsamer Unterricht  erfolgt für Schüler mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot auch dann, wenn diese Schüler die jeweiligen Bildungsziele der allgemeinen Schulen nicht erreichen können (zieldifferenter Unterricht).
  • Der zieldifferente Unterricht wird im Lehrerteam umgesetzt, d.h. an der Hohensteinschule arbeiten Grund- und Hauptschullehrer mit Sonderpädagogen zusammen und gestalten gemeinsamen Unterricht.

Teamteaching

  • Der gemeinsame Unterricht setzt gemeinsame Einstellungen und Haltungen der Lehrenden voraus.

  • Jede Lehrkraft fühlt sich für alle Schüler verantwortlich.

  • Jede Lehrkraft unterstützt individuelles Lernen.

Gemeinsamer Unterricht Gemeinsam verschieden Lernen

  • Methoden wie Lernpläne und Werkstattunterricht ermöglichen die Berücksichtigung des individuellen Lerntempos und Lernvermögens und ermöglichen eine gezielte und intensive Unterstützung der Kinder durch die Lehrpersonen.

  • Durch die Wahl der Aufgaben, des Lernorts und des Arbeitspartners wird Selbständigkeit und Eigenverantwortung des Schülers gefördert.

  • Die Anzahl und Schwierigkeiten der Aufgaben im Lernplan können variieren.

Hausaufgaben im gemeinsamen Unterricht

  • Nicht alle Schüler bekommen die gleichen Hausaufgaben.

  • Die Hausaufgaben der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf können sich quantitativ unterscheiden, d.h. es sind weniger Aufgaben.

  • Die Hausaufgaben können sich inhaltlich unterscheiden, d.h. manche Schüler bekommen allgemein Übendes als Hausaufgabe, andere eher komplexere  Aufgaben, bei denen Transferleistungen gefragt sind.

Individuelle Kompetenzen dokumentieren

  • Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf schreiben teilweise andere, manchmal  „abgespeckte“ Lernzielkontrollen. Dies wird für jeden Schüler mit Förderbedarf individuell überlegt und hängt vom Arbeitstempo, der Konzentrationsfähigkeit und den individuellen Kompetenzen ab.

  • Die Leistung des Schülers wird in diesem Fall an seinem eigenen Lernzuwachs gemessen und nicht an den anderen Mitschülern.

Bewertung

  • Vergleichende Leistungsmessung soll nur da stattfinden, wo es Sinn macht (Klassenarbeiten werden mit geschrieben, gegebenenfalls aber entlastet).

  • Bei LRS und Dyskalkulie kann ein Nachteilsausgleich stattfinden.
  • Die Schülerinnen und Schüler mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot erhalten ein Zeugnis der allgemeinen Schule.

  • Die Leistungsbeurteilung erfolgt unter der Federführung der allgemeinen Schule in enger Absprache mit den sonderpädagogischen Lehrkräften.
  • Bei zieldifferenter Beschulung (Bildungsgang Förderschwerpunkt Lernen und Geistige Entwicklung) wird folgender Satz im Zeugnis unter Bemerkung aufgeführt:

"Dem Unterricht und der Leistungsbewertung wurde der Bildungsplan mit dem Förderschwerpunkt Lernen zu Grunde gelegt."

 

 

Inklusion an der Hohensteinschule

 

Hinweis!

Die Fotos auf dieser Seite zeigen, wie Kinder individuell gefördert werden.

 

Der kurze Film erklärt, welche Schritte Eltern gehen müssen, wenn sie für ihr Kind ein inklusives Bildungsangebot wünschen. Es wird aufgezeigt, wo Eltern dabei Unterstützung erhalten, wer bei der Planung inklusiver Bildungsangebote beteiligt ist und wie die Umsetzung im Unterricht aussehen kann.

 

https://www.youtube.com/watch?v=9fwWre0ZdVM

 

Inklusion an der Hohensteinschule

Das Anderssein als Normalität

Von Anke Leuschke

HOHENSTEIN. Der kleine Luis aus der Klasse 1a der Hohensteinschule ist froh, dass er in eine ganz normale Schule gehen kann. In seinem 16. Lebensmonat ist der Junge an Hydrocephalie erkrankt, einer Erweiterung der Flüssigkeitsräume im Gehirn. Luis musste operiert werden, leidet aber trotzdem unter körperlichen Beeinträchtigungen - seine Koordinationsfähigkeit ist eingeschränkt. Teilweise ist er auf einen kleinen Rollstuhl angewiesen. Trotzdem fährt Luis jeden Tag - begleitet von einem Inklusionshelfer - mit dem Schulbus in die Schule, wie alle anderen Kinder. »Er kommt immer mit einem Lächeln«, berichtet sein Klassenlehrer Matthias Motzkau. Mittlerweile ist Luis gut in der Klasse integriert.

Die Konrektorin der Hohensteinschule, Tanja Glück, findet es wichtig, dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam in eine Klasse gehen. So werde im Alltag erlebbar, »dass es ganz unterschiedliche Menschen gibt«. Je eher die Schüler mit dieser Erfahrung konfrontiert würden, »umso eher lernen sie auch, Menschen mit Beeinträchtigungen zu akzeptieren«.

Weiterbildung für Lehrkräfte

Auch die Akzeptanz der Lehrkräfte sei wie in der Hohensteinschule Voraussetzung für gelingende Inklusionsarbeit. Eine besondere Ausbildung haben die meisten Lehrkräfte nicht. »Es wird vorausgesetzt, dass die Lehrer die Schüler integrieren können«, sagt Glück. Allerdings würden inzwischen vermehrt Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten. Nach der 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechtkonvention muss auch Menschen mit Beeinträchtigungen die Chance auf eine gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Das gilt auch für den Schulbereich. Deshalb arbeitet die baden-württembergische Landesregierung aktuell an einem Inklusionsgesetz (siehe nebenstehenden Beitrag).

Neben Luis gibt es in Hohenstein noch zwei Schüler in der 8. Klasse mit körperlichen Einschränkungen. Betül hat eine Augenkrankheit und ist sehbehindert. Gemeinsam mit ihren Mitschülern lernt sie von der ersten Klasse an - bereits vor Inkrafttreten der Konvention - in der Hohensteinschule. Ein Computer mit einer Kamera hilft ihr, besser dem Unterricht zu folgen. Zwei Stunden wird sie zusätzlich unterrichtet. Ebenfalls in diese Klasse geht Michael. Auch er leidet an Hydrocephalie und hat körperliche Einschränkungen. Bis zur 6. Klasse wurde er zusätzlich betreut, heute sei das nicht mehr notwendig. Die beiden sind gut integriert. »Eigentlich ist das ganz normal«, meint sein Mitschüler Simon. »Man lernt etwas Neues, wie man darauf reagiert«, ergänzt Christopher: Das sei eine Bereicherung. Dieser Meinung ist auch Lehrerin Carina Bayer: »Ich merke keinen Unterschied.«

Bereichernd für alle Kinder

In der Klasse 4b gibt es gleich drei Kinder mit einem »diagnostizierten Förderbedarf«. Seit Beginn des Schuljahrs kommt deshalb für je neun Stunden in der Woche eine Förderlehrerin der Gustav-Heinemann-Förderschule aus Hundersingen nach Hohenstein und unterrichtet gemeinsam mit Klassenlehrerin Martina Diem. In gemischten Lerngruppen findet dann der Unterricht statt, vor allem in Rechnen und Schreiben. Eine Stunde erhalten die drei Kinder außerdem Einzelunterricht. Während dieser Zeit werden Lerndefizite aufgearbeitet. »Der Einsatz der Förderlehrerin stellt für alle Kinder eine Bereicherung dar«, sagt die Klassenlehrerin.

Auch der kleine Luis gehört wie jeder andere Schüler zur Klasse. »Mit seiner Hilfe ist das soziale Klima gestärkt worden«, sagt Klassenlehrer Motzkau. »In den Köpfen ist drin, es gibt Kinder die anders sind. « Als Luis kam, wurde er allen Schülern der Schule vorgestellt. Er hat Probleme das Gleichgewicht zu halten, zudem ist es für ihn sehr gefährlich, wenn er auf den Kopf fällt. Mittlerweile ist er nicht mehr immer auf seinen Rollstuhl angewiesen und auch mit Gehhilfen auf dem Pausenhof unterwegs. »Ich habe selten ein Kind erlebt, dass sich so von innen heraus entwickeln will«, sagt der Lehrer. Besonders beim »Lesen durch Schreiben« habe er große Erfolge. (GEA)

Inklusive Schulen im Landkreis Reutlingen


Insgesamt 217 inklusive Schüler haben im Landkreis nach Angaben des Staatlichen Schulamtes Tübingen einen Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot in allgemeinen Schulen, teilweise in Außenklassen, mit Gruppenangeboten oder als Einzelintegration. Ein Großteil der Außenklassen werde integrativ geführt und größtenteils gemeinsam unterrichtet.

Davon werden 25 Schüler über die Schule für geistig Behinderte in Außenklassen unterrichtet. 86 werden vonseiten der Schule für Erziehungshilfe betreut und 28 von der Schule für Sprachbehinderte. Diese Kinder besuchen teilweise ebenfalls Außenklassen, teilweise erhalten sie aber auch neben dem Unterricht in der allgemeinen Schule Unterstützung in Gruppen. 73 Schüler haben einen Förderschulbedarf, und fünf Kinder sind in einer Außenklasse unter der Regie der Dreifürstensteinschule Mössingen. (leua)

Reutlinger GEA-online, 04.01.2013

 

Stichworte / Thesen

 

Bisheriges Rechtsverständnis:

 

•  Grundgedanke: „Alle sind gleich (leistungsfähig)“ = „normal“

•  „Alle können daher zur selben Zeit das Selbe lernen.“

•  Wer das nicht schafft, ist behindert. Hilfe erhält er in der Sonderschule.

 

Neues Rechtsverständnis:

 

(Geltendes Recht in Deutschland seit 2009)

UN-Konvention „Menschenrecht auf inklusive Bildung“ verbietet Separation im Bereich Schule.

Sinngemäß:

•  „Jeder ist anders anders!“ Alle sind individuell verschieden. Niemand ist „behindert“, nur weil er anders ist als die Mehrheit.

•  Alle sorgen dafür, dass alle auf je ihre Weise teilhaben können.

•  Es gibt ein Menschenrecht auf Verschiedenartigkeit. Normalität ist die Vielfalt, die Mischung der Individualitäten.

 

 

Folge:

 

 Schulsystem in Baden-Württemberg muss angepasst werden

•  Nicht mehr zulässig einem Kind zu sagen:

                            „Du schaffst die Schule nicht.

                            Daher bist du behindert.

                            Du musst in eine Sonderschule gehen.“

•  Alle Schulen müssen jedem Kind angemessene Hilfen zur Verfügung stellen können, die das Kind nicht ausgrenzen. (Sinngemäß UN-Konvention)

•  Der erforderliche Umbauprozess im Schulsystem wird ca. 5-10 Jahre dauern.

 

 

Gerhard Wax     Sonderpäd. Dienst     Sept. 2012